Therapie
Vielleicht fragen Sie sich, weshalb Sie Psychotherapie beginnen sollten? Ich würde sagen, dass ein therapeutischer Prozess für jedes Individuum, selbst wenn es sich gerade nicht in einer Lebenskrise befindet, sinnvoll und bereichernd sein kann. Therapie verstehe ich als Bewusstwerdungsprozess, der Sie wieder näher an Ihren wahren Wesenskern führt und Sie in der Folge als Erwachsener sich wieder liebevoller und selbstfürsorglicher begegnen können. Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie in ein bestimmtes Familiensystem hineingeboren wurden und sich ihr Wesen kreativ an die Bedingungen und Beziehungen anpassen musste, da es abhängig war und Versorgung, Anerkennung, Wertschätzung sowie Liebe benötigte, erahnen Sie vermutlich die Komplexität Ihres individuellen Anpassungs- und Reifungsprozesses, der Sie im Alltag behindern kann. In der Regel sollte ein Kind um seiner selbst geliebt und versorgt werden, aber auch Ihre Eltern wurden schon geprägt und deren frühe Liebesbeziehungen mit Konditionen, Maßregelungen, Werten und Bewertungen verknüpft. In der Folge wurden in Ihrer Kindheit bestimmte Wesenszüge von Ihren nahen Bezugspersonen wertgeschätzt oder eben abgelehnt. Da ein Kind egozentrisch ist, bezieht es natürlicherweise die Reaktionen der Erwachsenen auf sich und passt sich je nach Wesenskern und Temperament individuell an. Jene können sich an die schwierigsten deprivierenden Umgebungen anpassen in der Sehnsucht geliebt und versorgt zu werden. Kinder sind abhängig von Kontakt und Zuwendung, selbst wenn dieser lieblos bis hin zu grenzüberschreitend oder sogar gewalttätig ist. Kinder dürsten nach Zuwendung, da sie sich sonst nicht spüren, erleben und wahrnehmen können und sich nicht mehr lebendig fühlen. Im Erwachsenenalter passt sich dieser Mensch weiterhin auf dieselbe Art und Weise an seine Umgebung an, selbst wenn die Umgebung dies nicht mehr von ihm abverlangt. Dadurch schränkt sich die Freiheit der möglichen Erlebens- und Verhaltensweisen stark ein und können sie dauerhaft frustrieren.
Lebendigkeit entsteht im Hier und Jetzt durch Achtsamkeit, Kontakt und Verbundenheit.
Im therapeutischen Prozess geht es also weniger darum, die Begrenzungen und Defizite, die aus der Kindheit stammen zu fokussieren, sondern eher sich zu fragen wie war es in meiner Kindheit und wie habe ich mich angepasst. Diese Anpassungsleistungen sowie Bewertungen, Prägungen, Komplexe und Selbstüberzeugungen führen dazu, dass ein erwachsenes Ich aufgebaut wird. Dieses hoch komplizierte Konglomerat aus ursprünglichen Wesenszügen und Anpassungen an die Umwelt gilt es dann bewusster zu betrachten, zu erleben und auszudifferenzieren, damit sie aufhören können unbewusst mit den immer selben Mustern reagieren. Denn in erwachsenen Beziehungen führen jene Muster zu einer Einengung oder Rigidität in ihrem Erleben und Verhalten, die sie auf Dauer begrenzt, auslaugt, nicht ihren Bedürfnissen entspricht oder auch zu Beziehungskonflikten (meist Arbeits- und Liebesbeziehungen) führen kann. Eine Krise entsteht meist dann, wenn bestimmte Wesenszüge und Konfliktlösungsstrategien im Übermaß erlebt und aufrecht erhalten wurden und andere verkümmerten, da sie den Kontakt zu ihrem Wesenskern und dessen Entwicklung und Stabilisierung verloren haben.